trotzdem #5: die neue sichtbarkeit

Vogelschwarm im Hamburger Hafen.

Hotel Inselsuenn. Location für das 1. Spiekerooger Tattoo-Wochenende.

Ich habe einen Post abgesetzt, Den ich nie absetzen wollte.

Es handelt sich dabei um ein Bild, dass ich vor ein par Jahren bei einem Morgenspaziergang durch den Hamburger Hafen aufgenommen habe. Es muss so gegen 5 Uhr gewesen sein, an den Landungsbrücken war wirklich nichts los. Ich hatte alles für mich, für mich und meine Kamera.

Wenn das Gerät noch nicht bereit ist

Die Sonne ging ganz langsam auf, als mir aufsteigende Vögel ins Auge fielen, die als Schattenrisse vor dem sich langsam erhellenden Firmament abzeichneten. Ein gutes Motiv, wie ich dachte. Also schnell die Kamera hochgerissen, abgedrückt - doch das technische Gerät war noch auf etwas völlig anderes eingestellt.

So wurde das Foto, in das ich so große Hoffnungen legte, zu einer kleinen Enttäuschung. Unscharf. Unperfekt.

Und doch - oder besser gesagt: TROTZDEM - konnte oder wollte ich mich nicht von ihm trennen. Es blieb ungelöscht in den Tiefen meines kleinen Archivs. Bis ich es vor einigen Tagen wiederentdeckt habe. Und meine innere Stimme sagte mir: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Jetzt zeigst du es der Welt. Poste es. Zeig es. Nimm Kritik an. LASSES ZU!

Und dann passierte das Unerwartete. Auf Instagram gepostet, wurde das Foto auch auf Threads geteilt. Und dort poppte es bei unglaublich vielen, netten Menschen auf:

〰️

über 1700 gefällt mir angaben

〰️

3 Reposts

〰️

nur nette kommentare

〰️ über 1700 gefällt mir angaben 〰️ 3 Reposts 〰️ nur nette kommentare

Zuspruch war alles, was da an Kommentaren kam. Statt “Wie kannst du uns nur mit so einem unscharfen Versuchsfoto nerven”, las ich Dinge wie “Gerade die Unschärfe macht es zu etwas Besonderem”, “Ein Foto muss nicht perfekt sein, es muss Dein Herz berühren” oder “Du alter Poet!”. Letzteres war sicher eine Anspielung auf den Posting-Text:

“Ich habe dieses Foto nie gezeigt. Weil es unscharf ist. Weil es nicht perfekt ist. Und TROTZDEM habe ich es nie gelöscht. Warum? Weil es echt ist.”

Diese Worte in Verbindung mit dem Foto scheinen in den Menschen etwas ausgelöst zu haben. Ich wette, dass es da draußen Millionen von “Fotografen” gibt, die wahre Schätze auf ihren Festplatten, in ihren Handys oder tatsächlich noch entwickelt auf echtem Papier irgendwo verborgen liegen haben - und sich einfach nicht trauen, diese zu zeigen.

Aber ich bin mir sicher, das hier, das sich Trauen, das aus der eigenen Bubble Ausbrechen - das ist die neue Sichtbarkeit. Nicht glatt. Nicht geplant. Sondern einfach da.

So wie ich da war. Weil ich abgedrückt habe. Weil ich nicht gelöscht habe. Eben TROTZDEM.

Euer Herr Gosch

Weiter
Weiter

trotzdem #4: Umdenken